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Freitag, 24. August 2012

Realität und so ein Scheiß

Ich sitze im Bus, lese in meinem Buch. Ein Bleistift in der Hand zum unterstreichen, zum Zitate festhalten. Momenten Bedeutung geben.
Man denkt einfach, dass das immer so bleiben wird. Nie hält man in einem dieser Augenblicke inne und denkt: Bald ist das vorbei.
Links, auf der anderen Seite sitzt mein Bruder, guckt ein bisschen nervös hin und her. Am liebsten würde ich ihm jetzt sagen ich weiß wo wir aussteigen müssen, keine Sorge, aber ich senke meinen Blick einfach nur wieder ins Buch.
Eigentlich wollte ich heute alleine wegfahren, nach Hannover, heimlich. Stattdessen gibt mein Bruder auch noch um die zehn Euro aus, weil er mit will.
Ich drücke gerade noch rechtzeitig den Stopp-Knopf, bevor der Bus an unserem Ziel vorbeifahren kann. Ich werde mir nichts kaufen. Fünf Stunden rumlaufen.
Während wir so durch sämtliche Läden laufen, wird mir allmählich klar, wie viel Geld ich brauche. Wie viel ich vor habe. Wie pleite ich bin.
60 € für eine neue Digicam, weil meine schrottig ist.
40 € für neue Klamotten, weil meine aktuellen hässlich sind, und ich aus ihnen rauswachsen werde.
30 € fürs Sommerferienticket nächstes Jahr.
Undsoweiter. Scheiße, Nemo, du hast nur noch fünf Euro.
Und so bin ich weiter gelaufen, mit schmerzenden Füßen.

Fünf Stunden vorbei. Einfach so.
Ende des Tages.  Schuldgefühle, die unter der Oberfläche kratzen, und auszubrechen versuchen
Ich mal mir immer so viel Märchenscheiße aus, dass ich an der Relität ersticke.  Genau so fühlt es sich an. Mein Leben. Ich fühle so viele Dinge, und fühle sie doch nicht.
Ist das noch richtig? Ist Fallen und Ersticken und kaputt sein richtig?

Donnerstag, 23. August 2012

Ich höre ein Stockwerk unter mir das Telefon klingeln. Wenig später Schritte auf der Treppe, ich stehe auf und öffne meine Tür. Sie kommt um die Ecke, reicht mir das Telefon. Ich lächle. Ich wette, die fragen sich alle schon seit längerem, wieso ich ihnen immer zuvor komme. Seit einer Ewigkeit hat niemand meine Türklinke berührt. Ich war immer schneller. Ich höre ja, wenn jemand den langen Flur runterkommt.
Mitsamt Telefon gehe ich zurück in mein Zimmer, schließe die Tür.
»Hallo?«
»Hey!«, antwortet eine fröhliche Stimme. Ich kann sie nicht zuordnen.
»Ähm ...« Am Telefon hören sich doch fast alle gleich an. Wer kann das sein? Wer ruft mich denn mal an? Ich telefoniere eigentlich nie .. Die Stimme nennt meinen Namen.
»Ja.. ?« Man, wie geistreich ich doch bin. 
»Hast du meine SMS bekommen?« Für einen Moment halte ich die Person am anderen Ende der Leitung für meine Sina. 
»Nein. Scheiße, wo ist mein Handy?« Ich durchsuche mein Zimmer, keine Spur. »Ich find's nicht.«
Erst jetzt bemerke ich das Zittern in ihrer Stimme, mir wird klar, es ist nicht Sina. Schade. »Scheiße. Naja, muss jetzt auch so gehen. Ich muss dir unbedingt was erzählen, das gestern passiert ist.« Es ist Ka, mein Kätzchen. Oh ...
»Mh, 'kay«, murmle ich vor mich hin, suche noch immer mein Handy.
»Scheiße, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Es wäre viel einfacher, wenn du die SMS gelesen hättest. Oh Gott.« Oh Gott, allerdings. Ihre Stimme zittert noch immer. Etwas an ihrem Tonfall lässt mich ahnen, was in der SMS stand. OMG ich habe gerade mit einen Typen rumgemacht!, oder so etwas.
»Ich glaube ich les es dir einfach vor!«, beschließt Ka. Sie zitiert: »Hey, Nemo bitte antworte mal, es ist grad was verrücktes passiert, ich hab grad mit so nem Kerl rumgeknutscht! Meld dich!« Wusst ichs doch.
Ein Oh entfährt mir, dann beginne ich zu lachen. 
»Ka, du bist genial«, platzt es aus mir heraus. Das war alles viel zu logisch. Und aus irgendeinen Grund freut mich das für sie. Sie braucht das. Dumme Abenteuer, Geschichten, Spaß, Aufmerksamkeit. Was auch immer.
Ich setze mich auf meinen Stuhl, gebe die Handysuche auf. Es fühlt sich komisch an, zu hören was hundert Kilometer von mir passiert ist. Und das einzige was mir passiert ist, dass ich außeinanderquelle wie Hefeteig. Meine Ferien sind so verdammt langweilig.
Ka erzählt mir noch ein bisschen was, während ich meinen Schorf abkratze. Ich höre kaum zu, mache nicht mal mhh oder aha, sondern schweige ein wenig. Das ist okay so, das kennt sie so von mir.
Erst als es um Essen geht, horche ich auf. 
»Die Essenszeiten sind hier komisch. Also für mich, und den anderen, die mithelfen gibt es um acht Uhr morgens Frühstück. Für die hundert anderen erst um zwölf Uhr, weil die so lange schlafen. Und darum gibts auch für alle zusammen erst um siebzehn Uhr Mittagessen, und Abendbrot dann gar nicht.« Aus irgendeinen Grund fange ich an zu lachen. »Heute hab ich erst ein Toast und ein bisschen Rührei gegessen.« Etwas durchzuckt mich. Neid. Verdammt.
Ich zähle auf, was ich heute gegessen habe. In Gedanken schwör ich mir, dass es dabei bleibt.
»Du ich muss auflegen. Sonst bekommt Papa noch 'nen Anfall. Ich ruf die die Woche noch mal an, versprochen!«, sagt sie.
»Okay. Tschüß, viel Spaß noch.«
»Bye, dir auch. Bis dann.«
Ich drücke auf den roten Knopf, gucke aus Gewohnheit aufs Display. 9:17 Minuten. Stille.
Ich vermisse sie so. Ich werde sie mein Leben lang vermissen. Ich werde unsere gemeinsamen Pausen vermissen, unsere Sprints zum Schließfach, weil wir mal wieder unsere Englisch- oder Deutschbücher vergessen haben. Ich werde ihre aufgedrehte, etwas egoistische, verrückte Art vermissen. All das.

Montag, 20. August 2012

brennende kunst.

Ich kaue auf meiner Unterlippe rum, mein Blick huscht zur Schranktür. Nein, lass das. Demonstrativ setze ich mich wieder vor mein Netbook. Check alles. Keine neuen Emails. Keine Benachrichtigungen. Das Video läd noch immer hoch ... obwohl, wahrscheinlich ist es irgendwie abgekackt, und das sieht nur so aus, als würde es noch hochladen. Dreck.
Wieder huscht mein Blick zum Schrank. Es wäre doch eigentlich nicht weiter Schlimm. Ein, zwei Kratzer mehr fallen nicht auf. Verdammt, reiß dich mal zusammen. Ich lege meinen Kopf auf die Tischplatte, und versuche die Kopfschmerzen zu verdrängen.
Haha. Ich Dreckskind. Ich hab das ja nicht verdient. Ich bin zu normal dafür.
Gott, wie ich mich hasse. Wie erbärmlich das alles ist. Wie neidisch ich bin, wie heftig Schuldgefühle ich habe, wie ich es hasse, alles. Hier und jetzt, alles, verdammt. Vergesst mich einfach mal, ich will niemanden wehtun oder nerven. NUTZLOS.

edit: Und schon sitz ich hier, drei brennende Striche an meiner Hüfte. Wunderbar symmetrisch. Hach, leben. Endlich. Verdammte scheiße.

Freitag, 17. August 2012

Perfect world


Ich wünschte, ich könnte weg von hier. In eine andere Welt, weit entfernt.
Irgendwo hin. Vielleicht meine besten Freunde dabei.
Sie an den Händen nehmen, sie nie mehr loslassen. 

Sich zusammen ein Leben aufbauen. 
Selbstständiger werden. Ohne Druck von der Außenwelt. 
Nicht wissen, was der nächste Tag bringt. Abgeschnitten von der Zivilisation. 
Nach eigenen Regeln leben. Nicht wissen, welchen Krieg die anderen führen. 
Einfach für mich sein, nur mit meinen besten Freunden. 
Ich liebe euch alle.
FERTIG MIT DER WELT.

Samstag, 11. August 2012

schwach zeichnen sich Schatten auf dem Jetzt ab, hinterlassen Spuren, zeigen mir, dass alles umsonst war.

Ich stehe in der Tür und beobachte meinen tölpelhaften Bruder und meinen ungeschickten Erziehungsberechtigten, wie sie versuchen meinen alten Schrank in einem anderen Zimmer neu aufzubauen. Dem Zimmer von ihr und ihm. Nach weniger als zwanzig Sekunden jedoch trete ich zu ihnen, und helfe dabei, die Türen richtig reinzustellen. Sie lassen es zu. Immerhin gehörte dieser Schrank bis vor kurzem jahrelang mir. Ich muss alle türen rausnehmen, da sie komplett falsch eingeordnet sind. Zusammen probieren wir, wie es am besten geht. Den Krach, den wir dabei veranstalten, entgeht ihr natürlich nicht. Sie ist schon den ganzen Tag so angepisst.
Jetzt trampelt sie die Treppe hoch, kommt zur Tür rein und faucht: »Was macht ihr denn für 'nen Lärm?! Meine Güte, gib das her!« Sie reißt mir die Schiebetür aus der Hand, die ich soeben reinstellen wollte. ich trete einen Schritt zurück. Schweige.
»Was habt ihr hier denn gemacht?!«, will sie wissen, und veranstaltet mehr Lärm als wir vor wenigen Sekunden. Vor Wut stemmt sie sich gegen den Schrank, hebt dieses komische Zwischending an. Alles wackelt. Mein Bruder will etwas sagen, hebt die Arme. Mein Erziehungsberechtigter sagt: »Komm, lass das. Ich mach das schon.« Aber sie denkt nicht daran. Von wegen sie kann eh alles besser, und wir würden ja nur alles falsch machen. In dem Moment passiert es. Die oberen Schiebetüren lösen sich und fallen direkt auf meinen Bruder. Ich vernehme einen dumpfen Schlag, und sehe, wie er sie genau auf den Kopf bekommt. die zweite kann er abwehren. Trotzdem verengen sich meine Augen. Mein Blick huscht zu ihr, dieser Schlampe, die nur meckert es wäre seine eigene Schuld. Am liebsten würde ich ihr die Tür aus den Händen reißen, und ihr so eine mit meiner Faust verpassen, dass sie gegen die Wand fliegt. Wie kann man nur so krank im Kopf sein?!
Ich drücke die Fingernägel in meine Handfläche, trete ein paar Schritte zurück. Mittlerweile hat sie es geschafft, irgendwie die Tür da reinzuquetschen. Sie verlässt den Raum, zischt noch: 
»Seht ihr, so geht's doch! Müssen keine hundert Menschen an dem Schrank rumrandallieren!«, und weg ist sie. Ich stehe nur da, sehe wie sich mein Erziehungsberechtigter den Kopf kratzt, und mein Bruder die oberen Schiebetüren wieder einbaut.»Wollt ja nur helfen«, murmle ich und verlasse den Raum.
In meinem Zimmer finde ich ein Foto vom Schrank, als er noch aufgebaut und unmisshandelt von ihr an meiner Wand stand. Ich schlurfe zurück in das Zimmer von ihr
»Die Türen in der Mitte, müssen sich berühren«, erkläre ich, und zusammen schaffen wir es, dass alles richtig ist.
Von wegen wir machen alles falsch. In dem Moment spüre ich, dass sie hier nichts verloren hat. Sie ist hier einfach eingezogen, eingedrungen, hat das Vertraute beiseite geräumt und nichtssagende Leere geschaffen. Sie hat es geschafft, dass alles nur noch ein schwacher Abklatsch von dem ist, was hier vorher einmal war. Sie hat es geschafft, dass ich mich nicht mehr wohl fühle. Und ich hoffe, ich schaffe es, ihr dasselbe Gefühl entgegenzubringen. Du gehörst hier nicht her. Ich hasse dich.